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27. Juli 2024

Besorgte Brandstifter auch in Linden?

Wer integriert die "Asyl-Kritiker"? Mithelfen statt meckern!

Zelte im Flüchtlingscamp des UNHCR
Foto: DFID UK CC 2.0 nd nc via Flickr

Es kommen mehr Flüchtlinge, als wir uns das vorgestellt haben. Aber das ist kein Grund für Angst oder Zweifel. Das ist vielmehr ein Appell für noch mehr Engagement. “Wer nur noch vom Scheitern redet, nutzt sicher nicht seine ganze Kraft, um zum Gelingen beizutragen.1

Linden-Limmer ist immer stolz darauf gewesen, bunt, tolerant und solidarisch zu sein. Als vor 2-3 Jahren die erste Flüchtlingsunterkunft im Stadtbezirk eingerichtet wurde, wurde diese Hilfsbereitschaft vorbildliche Wirklichkeit. Uwe Horstmann initiierte und organisierte die Initiative D33 und brachte viele wunderbare, hilfsbereite Menschen zusammen. In einer Zeit, in denen andernorts gemault und gemeckert wurde, musste die Initiative einen Spendenstopp ausrufen, so zahlreich waren die Hilfsangebote.

Waren alle Lindener und Limmeraner so positiv und hilfsbereit? Nein, es gab natürlich schon damals den üblichen Verdächtigen, der mit seinen wilden Spekulationen versuchte Zweifel zu säen. Das ist heute, wo die Herausforderungen ungleich größer geworden sind, leider schon wieder so.

Die Spalter sind unter uns und tragen Aluhüte

Ich habe ja nichts gegen 'besorgte Bürger', aber… Klick um zu Tweeten

Von den tatsächlich Verunsicherten bis hin zum äußersten rechten Rand ist das gleiche Muster zu erkennen: “Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber…” Hinter diesem “Aber” ist inzwischen eine von der Realität abgeschottete Welt entstanden. Wilde Gerüchte über Flüchtlinge werden in Umlauf gebracht. Höchst spekulativer Alarmismus wird verbreitet. Die rechte Szene zitiert sich nur noch selber und deutet das als Bestätigung ihrer kruden Phantasien. Mit ihrer exklusiven Selbstreferenz treiben sie eine teuflische Abwärtsspirale immer schneller in den Abgrund. Sobald diese wilden Behauptungen mit Tatsachen und Argumenten widerlegt werden antworten die Rechten mit dem Vorwurf der “Lügenpresse”. Flüchtlinge steigern die Kriminalität? Widerlegt die Polizei mit Statistiken diese Verleumdung, kontern die Rechten mit “die dürfen ja nicht die Wahrheit sagen, die haben von ‘ganz oben’ einen Maulkorb verpasst bekommen”. Der Gipfel des Grotesken ist dann die Theorie, “die Merkel” wolle durch die Flüchtlinge das Volk austauschen, weil sie sonst nicht wiedergewählt würde. Diagnose: Exzessive Verschwörungswahn. Die sogenannten Asylkritiker haben sich ihr eigenes Lügengebäude gebaut. Das marode Fundament: Die irrige Annahme, nur sie allein besitzen die Wahrheit und haben immer Recht.

Zitat aus einer Hetzschrift die in Linden und Limmer verbreitet wird
So bastelt man sich seine “Wahrheit”: Nicht Belegbares wird zum Fakt erklärt.

Raus aus der Komfortzone

Unter einigen Anwohnern der Steigertahlstraße soll sich Unmut breit machen, weil sie sich nicht ausreichend informiert fühlen würden.

  •  Zum Zeitpunkt, als diese “Kritik” aufkam, waren in der Zeitung bereits neun konkrete Artikel erschienen. Aber: “Man habe keine Zeitung”.
  • Im Web, den einschlägigen Foren und Kanälen wird unentwegt berichtet und diskutiert. Aber: “Man habe kein Internet”.
  • Es gab eine Reihe von Informationsveranstaltungen, das Thema Flüchtlingsunterbringung ist Dauerthema im Bezirksrat. Aber: In der Bürgerfragestunde meldet sich niemand.
  • Zuletzt hat die Stadt an jeder Haustür in und rund um die Steigertahlstraße einen Aushang gemacht. Aber: “Man habe kein…” –

Diese “Kritker” haben schlicht kein Interesse. Sie kaschieren lediglich ihre Vorurteile und haben Sorge, dass sie in ihrer Ruhe gestört würden. Aber: Wer sich vor Veränderungen fürchtet, der sollte  sich besser aktiv und gestaltend in genau diesen Prozess einbringen.

Zitat aus einer Hetzschrift die in Linden und Limmer verbreitet wird
Zwei Moscheen und etliche Dönerbuden im Stadtbezirk = islamistischer Einfluss?

Worüber reden wir eigentlich?

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Vor Ihren Augen fährt ein LKW einen Radfahrer um. Wie reagieren Sie?

  1. Sie starten eine Initiative zum Verbot von LKW.
  2. Sie denken sich, schön blöd der Radler, was muss der Idiot auch da rumfahren.
  3. Sie warten ob jemand anderer dem Radfahrer hilft und erwägen, sich dann eventuell der Hilfe anzuschließen.
  4. Sie halten den Radfahrer für einen Simulanten. Soll der selber sehen, wie er wieder auf die Beine kommt.

Genau das sind die Optionen, mit der “Asyl-Kritiker” auf Dummenfang gehen. Dabei gibt es auf die Herausforderung nur eine richtige Antwort: Selbstverständlich müssen wir Erste Hilfe leisten. Und wenn uns der Verbandsmull ausgeht, dann nehmen wir eben so lange Heftpflaster, bis wieder Verbandsmull geliefert wird.

Der GAU: Ich muss Angela Merkel zustimmen

In meinem Lebenslauf kann man mir vieles vorwerfen. Aber gewiss nicht, ich hätte mit der CDU sympathisiert, geschweige denn mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel. Aber zum ersten Mal ist ihr schreckliches “Alternativlos” zutreffend: Welche realistische Alternative gibt es zur Hilfe für Flüchtlinge?

Die Fluchtursachen bekämpfen

Fluchtursachen kann und muss man bekämpfen. Aber wie lange frickelt die Politik an diesem Thema schon rum? Mit welchem Erfolg? Wie lange wird es dauern, bis in Syrien, Afghanistan, Eritrea usw. die Verhältnisse eine Flucht überflüssig machen? Was machen wir bis dahin? Ganz zu schweigen davon, wieviel Mitverantwortung wir selber an den Fluchtursachen tragen.

Die Grenzen schließen

Es gibt nur einen Staat auf der Welt, bei dem hermetisch abgeriegelte Grenzen halbwegs “funktionieren”: Nordkorea. Wieder hat Angela Merkel Recht wenn sie sagt, wie aussichtslos geschlossene Grenzen sind, haben wir zuletzt in Ungarn besichtigen können. Und wir sehen auch, welch schreckliche Folgen das für die Flüchtlinge hat. Außerdem: Geschlossene Grenzen verlagern Not und Elend lediglich vor die Türe anderer Staaten. Am Ende des Sankt-Florians-Prinzips kommen die Menschen dann gar nicht mehr aus den Krisengebieten hinaus.

Europa muss als Ganzes helfen

Richtig. Nur erleben wir gerade, dass Europa statt einer Wertegemeinschaft nur eine Zugewinngemeinschaft ist. Solidarität: Fehlanzeige. Das muss sich ändern und daran müssen wir arbeiten. Aber bis es so weit ist…

Wer, wenn nicht wir?

Deutschland ist in vielerlei Hinsicht führend. Darauf sind wir doch sonst immer so stolz? Wenn wir die Andrang der Flüchtlinge nicht wuppen, wer dann? Luxemburg und Lichtenstein vielleicht?

Der Hass hat ein Zuhause

Der Fremdenhass haust in der Anonymität des Internet und Facebook ist sein Wohnzimmer. Klick um zu Tweeten

Besonders Ostdeutschland einen ausgeprägten Rechtspopulismus zu unterstellen führt in die Irre. Der Fremdenhass lebt in der der Anonymität des Internet und Facebook ist sein Wohnzimmer. Wer recherchiert entdeckt Abgründe der Schizophrenie: Vorläufige Krönung war eine Frau, die auf übelste gegen Schutzsuchende pöbelte, aber gleichzeitig ein Hilfsprojekt für rumänische Straßenhunde betreibt. Ich meine: Rumänische Straßenhunde haben besseres verdient als die “Fürsorge” ausgerechnet dieser Person. Es gibt leider Leute, die haben ihr Herz zu Sickergruben des Hasses gemacht, randvoll mit Menschenverachtung und rohen Gewaltphantasien.

Zitat aus einer Hetzschrift die in Linden und Limmer verbreitet wird
Das stimmt tatsächlich mal: “Besorgte Bürger” schaffen sich ihre Parallelgesellschaft und zeigen sich gewaltbereit.

Leitkultur: Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen?

So etwas wie Leitkultur kann sich auch nur der spießige Kleinbürger ausdenken: Alles soll so bleiben wie es ist. Der akkurate Knick im Sofakissen, der Wackeldackel auf der Hutablage. Was muss man sich überhaupt unter Leitkultur vorstellen? Von seriösen Magazinen bis zu derben Comedy-Formaten haben schon einige versucht, das in Umfragen zu ergründen. Ergebnis: Alles und nichts.
Vielleicht ist das ja deutsche Leitkultur: Horden, die sich auf Volksfesten ins Koma saufen? Hundebesitzer, die ihre Köter überall hinkacken lassen, sich um die Beseitigung aber einen Scheiß scheren? Körperlich intakte Autofahrer, die sich auf Behindertenparkplätze stellen?

https://twitter.com/AntiiHeld/status/646599781368860672

Wem das zu kleinteilig ist, wie wäre es mit: Eltern, die eigenmächtig mal eben die Schulferien um ein, zwei Wochen erweitern, weil ihnen ein Schnäppchen-Urlaub wichtiger ist als die Bildung ihrer Kinder? Ein führendes deutschen Kreditinstitut, dass jahrelang den Leitzins manipuliert hat – und einiges mehr? Die deutscheste aller Automarken, die systematisch die Abgaswerte manipuliert? Ein deutscher Automobilisten-Verein, der munter seine eigenen Statistiken strickt? Gibt es noch Fussballspiele, die ohne massiven Polizeieinsatz auskommen? Undsoweiterundsofort…

Für ein gedeihliches Zusammenleben genügt das Grundgesetz und die darauf aufbauenden Gesetze. Und in diesem unseren Fundament steht eben auch, dass es ein Recht auf Asyl gibt. Und dass jeder Mensch ein Anspruch auf Würde und ein ebensolches Leben hat, dass wir ein Sozialstaat sind… Und daran haben sich alle und jeder zu halten, ohne jede Ausnahme.

Ein Vorschlag zur Güte

Vorsicht Ironie: Liebe Rassisten, Faschisten, alte und neue Nazis, natürlich seid ihr die Herrenrasse und den Flüchtlingen überlegen. Bis auf die Rechtschreibung vielleicht2. Dann sehen wir es doch mal so: Wen bitten die Flüchtlinge um Hilfe? Deutschland! Das beweist ja wohl klar deutsche Dominanz. Deutet es doch als Demutsgeste! Dann könnt ihr euch wieder selbstzufrieden in eure Sessel zurückfläzen, billiges Discounter-Bier in euch reinschütten und zufrieden irgendwelche Naziparolen rülpsen. Aber bitte steht nicht weiter dumm im Weg rum.

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

“Man muss die Ängste und Sorgen der Bürger ernst nehmen.” Ja sicher. Wovor müssen wir denn Angst haben, worum müssen wir uns sorgen? Zuerst müssen wir uns Sorgen machen über die “Asylkritiker” und “besorgten Bürger”. Sie sind es, die mit ihrer Hetzpropaganda Demokratie und Rechtsstaat unterminieren. Auch um “die Politik” müssen wir uns Sorgen machen: Schon vor Jahren wurde die Herausforderung durch mehr und mehr Flüchtlinge thematisiert. Statt sich darauf vorzubereiten wurde der Kopf in den Sand gesteckt und versucht, die Not jenseits unserer Grenzen zu halten. Das ist erwartbar grandios gescheitert.

Auch heute sehe ich noch immer keine ernsthaften Anstrengungen die Aufgaben in Angriff zu nehmen. Ohne die Freiwilligen wäre Deutschland längst blamabel im Chaos versunken. Wo sind die Baustellen, in denen jetzt rasch der dringend benötigte Wohnraum geschaffen wird? Im Gegenteil: Vor dem LaGeSo in Berlin herrschen seit Monaten unverändert dramatische Zustände, weil das Amt die erste Registrierung der Flüchtlinge nicht gebacken bekommt. Die Minimalversorgung der Menschen vor Ort wird noch immer nur durch Freiwillige gesichert. Und selbst die Helfer dort werden noch von den Behörden behindert. Aber, wie man jetzt lesen muss: die Beschäftigten im LaGeSo lassen am Feierabend pünktlich den Stift aus der Hand fallen. Deutsche Leitkultur?

Wer profitiert von den Ängsten und Sorgen?

Der entscheidende Grund, dass Immigration und Integration scheitern könnten sind die “Asylkritiker” und Rechtspopulisten. Weil sie sich in den Weg stellen und Lösungen blockieren. Und genau dieses Scheitern provozieren sie und wälzen ihre Verantwortung auf die Flüchtlinge ab. Wenn sie sich am Ende so in ihren “Warnungen” bestätigt sehen würden, werden sie als nächstes die Machtergreifung versuchen.

Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert. Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Der Leopard

Was jetzt zu tun ist

Jeder an seinem Platz ist gefordert, seinen Beitrag zum Gelingen der Integration zu leisten. Und wenn es auch nur ein freundliches Lächeln gegenüber den Vertriebenen ist. Das bringt uns allemal weiter als mit Hasspropaganda Zweifel und Zwietracht zu säen. Natürlich muss man kritische Fragen stellen: Wird der Wohnraum für alle reichen? Nein. Was ist zu tun? Wohnungen bauen. So einfach kann konstruktive Kritik sein.

Es geht nicht, nur das zu sagen, was nicht geht. Fragen wir uns, was jede und jeder Einzelne von uns dazu beitragen kann, dass es geht. Gerhard Schröder, Regierungserklärung 29.10.2002

Quellen und weiterführende Links

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  1. Aus einem Post von meinem Kollegen Alex Danz
  2. Dank Oliver Welke auch als “Legasthenische Folksfront” bekannt ;-)

1 Kommentar zu Besorgte Brandstifter auch in Linden?

  1. wer glaubt. die flüchtlinge lassen sich durch grenzen oder stacheldrähte aufhalten, der ist naiv und dumm. die deutsche wohlstandsgesellschaft, die auf kosten anderer zu ihrem wohlstand gekommen ist, wird sich verändern, ob sie dies will oder nicht. die zeiten des friedens sind nun vorbei. in diesen tagen werden die entwicklungen die welt verändern. europa muss seine komplizenschaft mir den usa überdenken, seine politik zu lasten der ärmeren aufgeben und von seinem wohlstand an die armen abgeben. ein weiter so wird nicht mehr möglich sein.

    was bringt uns die zukunft? sicher ist, “die fetten jahre” und die zeiten des friedens sind vorbei. in diesen tagen werden die entwicklungen die welt verändern, die sich schon so sehr verändert hat. der globalisierung von handel und finanzen folgt jetzt die globalisierung der folgen von kriegen und elend. die reichen wohlstandsnationen können den strom der imigranten nicht mehr, wie bisher, per abschottung ausbremsen. es kommen immer mehr.
    https://campogeno.wordpress.com/2015/10/17/die-fetten-jahre-und-die-zeit-des-friedens-sind-vorbei/

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