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20. Dezember 2024

Wer Fisch-Hampe wirklich auf dem Gewissen hat – Folge 2

Warum Linden-Limmer eine quartiersbezogene Wirtschaftsförderung braucht

Steinskulptur Fisch vor vor geschlossenem Fisch-Hampe am Schmuckplatz
Linden hat wieder ein Fachgeschäft verloren
Es ist nicht die stärkste Spezie die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.Charles Darwin

Worüber Fisch-Hampe wirklich stolperte

Fisch-Hampe und die Folgen
Die Schließung von Fisch-Hampe ist nur ein Symptom. In einer kleinen Artikelserie beleuchte ich die Hintergründe und wie wir mit einer quartiersbezogenen Wirtschaftsförderung gegensteuern können.

Wieder musste ein Fachgeschäft schließen, und wieder sollen die Verkehrspolitik der Stadt und fehlende Parkplätze die Ursache gewesen sein. Ist das so? Ich kann das nicht nachvollziehen und schaue lieber auf die typischen Erfolgsfaktoren des Einzelhandels.

Lage, Lage, Lage

Die wichtigsten Hebel für ordentliche Umsätze sind die Lage und die Kaufkraft im Einzugsgebiet. Immer wichtiger werden dabei “Publikumsmagnete”, die zusätzlich potentielle Käufer anziehen.

In dieser Hinsicht ist der Schmuckplatz ein denkbar schlechter Standort, es ist eine Insellage.

Kaufkraft in Linden

Hannover liegt in der Kaufkraft etwas über dem Bundesdurchschnitt. Leider gibt es diese Kennziffern nur stadtweit, aber nicht für die Bezirksebene (was für eine quartiersbezogene Wirtschaftsentwicklung wichtig wäre). Die hohe Transferleistungsquote in Linden-Limmer (knapp 21 %, Stadtdurchschnitt 15,6 %) spricht allerdings für eine unterdurchschnittliche Kaufkraft. Hinzu kommt, dass Fisch kaum von Kunden unter 25 Jahren gekauft wird, sondern eher von älteren Käufern. Linden-Limmer ist aber ein überdurchschnittlich “junger Stadtteil”.

Stagnierender Fischkonsum

Pro-Kopf-Verbrauch an Fisch und Fischerzeugnissen
Fischverzehr pro Kopf, Quelle: Fisch-Informationszentrum e. V.

Das Statistische Bundesamt beziffert in der letzten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe die Ausgaben für Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchte auf durchschnittlich 8 € je Monat und Haushalt. Die Ausgaben sind über 10 Jahre beinahe unverändert geblieben.

Für Linden-Nord ergibt das rechnerisch ein Potential von rund 85 000 € für den Absatz Fisch, für Linden-Limmer insgesamt theoretisch ca. 220 000 € im Monat. Die Frage ist, in wie weit dieses Potential ausgeschöpft und wo es gedeckt wird.

Steigende Preise für Frischfisch

Preisindizes ausgewählter Fischprodukte
Preisentwicklung Fischprodukte, Quelle: Fisch-Informationszentrum e. V.

Frischfisch verzeichnet unter allen Fischprodukten den größten Preisanstieg (Index 125,1 %) Tiefkühl-Fisch den geringsten (105,4 %) (2010 zu 2014). Nach einem Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sind die Umsätze im Facheinzelhandel mit Fisch, Fischerzeugnissen, Meeresfrüchten innerhalb von vier Jahren von 529 auf 352 Mio. € eingebrochen (2010 zu 2013).

Die letzten Punkte zusammengenommen sagen mir, dass die Fischkäufer zu den Supermärkten und Discountern abgewandert sind. Nehme ich noch die unterdurchschnittliche Kaufkraft hinzu, zweifle ich, ob die 1996 entfallenen vier Parkplätzen jetzt, 21 Jahre später, objektiv als Ursache in Betracht kommen können.

Lebensmittelhandel in Deutschland
Nach Angaben des EHI Retail Institute lag der Umsatz im organisierten Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland im Jahr 2015 bei 150,10 Milliarden Euro, davon wurden allein 68,50 Milliarden durch die Discounter erzielt. Die Gesamtzahl der Lebensmittelgeschäfte in Deutschland geht weiter zurück. Im Jahr 2010 gab es hierzulande noch 39.288 Lebensmittelgeschäfte, fünf Jahre später waren es nur noch 37.943 übrig. Obwohl Lebensmittelhändler durchaus mit Konzepten für kleine Geschäfte experimentieren, verliert die Kleinfläche insgesamt deutlich an Boden. Von 11.193 kleinen Lebensmittelgeschäften (bis 400 qm) in Deutschland im Jahr 2010 sind im letzten Jahr noch 8.900 geblieben.
Quelle: handelsdaten.de, EHI Retail Institute
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Wie hätte die Schließung vermieden werden können?

Eine quartiersbezogene Wirtschaftsförderung kann nicht die Märkte verändern. Sie kann aber die ortsansässigen Gewerbetreibenden dabei unterstützen, sich auf ändernde Märkte einzustellen.

Hatte Fisch-Hampe überhaupt eine Chance?
“Frischfisch ist sicherlich die Königsklasse aller frischen Warengruppen und wird von vielen renommierten Handelsunternehmen wie etwa Edeka oder Globus als ultimativer Nachweis der Frischekompetenz genutzt. Dabei muss einmal ziemlich klar gesagt werden, dass man als Einzelhändler mit Frischfisch normalerweise kein Geld verdienen kann. Personalkosten, Energie und Investitionen in Technik und Raum zehren die Kalkulationsaufschläge schnell auf. Warum hat sich dann trotzdem die Zahl der Frischfischtheken in den vergangenen zehn Jahren um geschätzte 50 Prozent erhöht, nachdem in den neunziger Jahren viele Bedienungstheken geschlossen wurden? Der Grund für die Renaissance der Frischfischabteilungen ist einfach und nachvollziehbar: der unaufhaltsame Vormarsch der Discounter und deren ständige Sortimentserweiterungen.”
Alexander Wever, AWF Consulting in “fisch & meer” November 2012

Wir brauchen nicht mehr Parkplätze, wir brauchen mehr Weitblick

Das Umfeld und der Markt haben sich deutlich negativ für kleine Lebensmitteleinzelhändler entwickelt. Ein Produkt wie Frischfisch mit seinen besonderen Anforderungen verschärft noch einmal die Lage. Ich kann nicht erkennen, wie hier ein paar zusätzliche Parkplätze die schlechte Ausgangssituation hätten ausgleichen können. Sehr wahrscheinlich aber hätte eine integrierte, quartiersbezogene Wirtschaftsförderung und -entwicklung Alternativen und Strategien entwickeln können.

Lesen Sie in der nächsten Folge: „Fisch-Hampe und die Dolchstoßlegende“. Jetzt online!

Lesen Sie hier auch den 1. Teil.

Quellen und weiterführende Links

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1 Kommentar zu Wer Fisch-Hampe wirklich auf dem Gewissen hat – Folge 2

  1. “Wir brauchen nicht mehr Parkplätze, wir brauchen mehr Weitblick?” Haben wir: Auf unserem Blog haben wir die Idee der Wirtschaftsförderung des Stadtbezirkes mal anders gedacht. Sichere und breite Radwege statt Parkplätze auf der Falkenstraße: https://hannovercyclechic.wordpress.com/2017/04/02/2-kundenfreundliche-und-umsatzstarke-falkenstrasse-die-umsetzung/
    Die Stadt könnte es ja dort einfach mal zeitlich begrenzt und unverbindlich ausprobieren…
    Das wär mal PlatzDa! ist hannovercyclechic!

Kommentare sind deaktiviert.

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