Was Friedrich Merz über Arbeit, Wohlstand und die Vier-Tage-Woche sagt, klingt nach Wirtschaft – ist aber eher Calvinismus mit Stechuhr. Warum „mehr malochen“ keine Lösung ist, was Studien zur 4-Tage-Woche zeigen – und weshalb wir dringend über das Recht auf Faulheit reden sollten.
Wir müssen noch mal über das Recht auf Faulheit reden, Herr Merz!
Friedrich Merz hat gesprochen – und wie immer, wenn er den wirtschaftlichen Kompass für Deutschland setzen will, wird es … interessant. In seiner Regierungserklärung erklärte der Kanzler:
„Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten. Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“
Regierungserklärung Bundeskanzler Friedrich Merz 14.05.2025
Das ist übrigens auch der Herr Merz, der nach den Koalitionsverhandlungen erstmal "ein paar Tage Urlaub" brauchte. 🥴 Man muss ja auf seine Work-Life-Balance achten.
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Mehr arbeiten = mehr Wohlstand? Leider nein.
Die Idee, dass einfach mehr Arbeit automatisch zu mehr Wohlstand führt, ist betriebs- wie volkswirtschaftlich Unfug1https://www.diw.de/de/diw_01.c.900064.de/nachrichten/sollen_wir_alle_noch_mehr_arbeiten.html. Entscheidend ist nicht die bloße Anzahl der Arbeitsstunden, sondern was in diesen Stunden tatsächlich geschaffen wird. Es geht um Effizienz, Innovation und Wertschöpfung – nicht um Stechuhr-Romantik.
„Ein Kanzler, der sich den Kampf gegen die Work-Life-Balance auf die Fahnen geschrieben hat, der macht das Land weniger gesund, weniger sozial und weniger gleichberechtigt. In den letzten Jahren von 2019 bis 2024 sind in Deutschland die… pic.twitter.com/r8J3IeVOsq
Die Merzsche Argumentation erinnert frappierend an den guten alten Psalm 90,10:
„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen.“
– Psalm 90, 10
Willkommen im asketischen Protestantismus, insbesondere in seiner calvinistischen Ausprägung. Arbeit nicht als Mittel zum Zweck, sondern als moralisches Gebot. Max Weber hat das in Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus schon vor über hundert Jahren seziert.
Dass ein CDU-Kanzler diesen „Geist“ wieder beschwört, überrascht wenig – aber es bleibt die Frage:
Versteht Merz Wirtschaft – oder predigt er nur?
Die Aussage des Kanzlers klingt weniger nach durchdachter Wirtschaftspolitik, sondern eher nach einem moralischen Appell im Deckmantel ökonomischer Vernunft. Aber Wirtschaft funktioniert nicht wie ein Gottesdienst – sondern wie ein komplexes System, das von Menschen lebt. Menschen mit Leben. Mit Familien. Mit Grenzen.
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Vielleicht sollten wir also wirklich noch mal über das Recht auf Faulheit reden, Herr Merz. Nicht im Sinne von „nichts tun“, sondern im Sinne einer neuen Balance, in der Arbeit nicht unser ganzes Leben definiert.
Und wenn wir schon bei Bibelzitaten sind: Am siebten Tag ruhte selbst der Herr.
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